Ostermarsch München 2008 - Walter Listl

Richard Forward * Angelika Lex * Paul Kleiser * Siegfried Benker

Rede zum Ostermarsch am 22.03.2008 auf dem Marienplatz

Walter Listl, Bündnis gegen Krieg und Rassismus

Zugegeben - es gibt beschaulichere Arten, den Ostersamstag zu verbringen, als durch die Stadt zu demonstrieren und hier auf dem Marienplatz eine Kundgebung zu machen.

Wir tun dies dennoch seit Jahrzehnten, weil uns Einkaufsbummel oder Ostereiersuchen nicht als adäquate Antwort auf Krieg, Hunger und Umweltzerstörung erscheinen will.

Wir hören auch oft:
Demonstrationen bringen doch nichts, die machen ja doch was sie wollen.
Vor fünf Jahren haben doch über 11 Millionen Menschen in 800 Städten gegen den bevorstehenden Irakkrieg demonstriert, ohne ihn verhindern zu können.

Nein - unser Protest und Widerstand ist noch nicht stark genug um Kriege zu verhindern oder zu beenden.

Aber er kann jenen 80% der Menschen dieses Landes eine Stimme geben, die z.B. gegen den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan sind, die den verbrecherischen Krieg der USA und NATO im Irak verurteilen,
Unsere Demo und Kundgebung kann aus individueller Wut und Empörung öffentlichen Protest machen,
das ist eine der Funktionen unserer Ostermärsche.

Und unsere Demonstration und Kundgebung ist notwendig als Zeichen der Solidarität mit den Opfern dieser Kriege, mit den Opfern der US-Massaker im Irak und Afghanistan, mit den Geschundenen aus Abu Ghraib und dem globalen Foltersystem der USA und als ein Zeichen der Solidarität mit den Deserteuren der US-Army, die sich in diesen Tagen an die Öffentlichkeit gewandt und von entsetzlichen Greueltaten berichtet haben.
Ihnen und der weltweiten Antikriegsbewegung gilt unsere Kundgebung als ein Zeichen der Solidarität.

Deshalb ist es vielleicht nicht österlich-beschaulich, aber gut und wichtig dass wir heute hier sind - danke dass ihr alle gekommen seid.

In diesen Tagen jährt sich zum fünften mal die Bombardierung Bagdads mit der dieser Krieg begann.
Die Bilanz nach fünf Jahren ist desaströs:

Das ist die Bilanz dieser fünf Jahre Krieg gegen den Irak - entgegen aller Lügen in den Medien von einer angeblichen "Normalisierung" der Lage dort.

Zum fünften Jahrestag des Überfalls der NATO auf den Irak und im siebten Jahr des Krieges gegen Afghanistan werden zynische Kosten-Nutzen-Rechnungen angestellt.
In dem neuen Buch "Der drei Billionen Dollar-Krieg" des Wirtschaftsnobelreisträgers Stieglitz und der Harvard-Ökonomin Bilmes wird recherchiert, dass die Kriege in Afghanistan und Irak mit allen Folgekosten, die obszöne Summe von fast 5 Billionen $, also 5000 Milliarden $ verschlingen Allein das Besatzungsregime der USA im Irak koste 200.000$ in der Minute

Es wirft ein bezeichnendes Licht auf die Gesellschaft, wenn nicht die Hunderttausenden von Toten, die diese Kriege zu Folge haben zum Aufreger werden, sondern die hohen Kosten, die dieses Morden verursacht.

Der Krieg lohne sich also nicht, die Strategie der USA sei gescheitert.
So die häufig zitierte Bilanz dieses Krieges in den Medien.

Beides stimmt nicht, Bush hat recht, der Krieg hat sich gelohnt.
Die Frage ist aber für wen.
Gelohnt hat er sich für die Leute deren Interessen Bush vertritt.

Denn es gibt zweierlei Kriegskassen.
In der einen Kasse sind die Steuergelder der arbeitenden Menschen. Aus dieser Kasse werden die Kriegskosten bezahlt.
Die andere Kasse ist die der Kriegsprofiteure, der Rüstungsindustrie, der Dienstleister des Todes, derer, die die Gewinne aus der Erölförderung abschöpfen, in deren Kassen fließen die immensen Summen dieses Krieges. Für sie lohnt sich der Krieg, umso mehr, je länger er dauert.

Und auch die Auffassung, die Strategie der USA und NATO im Irak sei gescheitert, weil der Terror nur noch weiter zunehme geht von der irrigen Annahme aus, dass das Ziel des Krieges der Kampf gegen den Terror gewesen sei, oder die Freiheit der Iraker.

Aber das war nie Ziel dieses Krieges.

Das Ziel war immer, die geostrategische Herrschaft in der Ölregion des nahen und mittleren Ostens zu erlangen und die knapper werdenden Ressourcen zu kontrollieren.
Da sind die Iraker nur im Wege.

Jürgen Todenhöfer, Mitglied der CDU, beschreibt in seinem neuen Buch, wie die Medien hierzulande die Tatsachen verdrehen und manipulieren.
Aus dem Irak sehen wir ausschließlich Bilder von terroristischen Selbstmordanschlägen, aber so gut wie nichts über den wirklichen Widerstand der Iraker gegen die Besatzung mit täglich bis zu hundert Angriffen auf die Besatzungstruppen.

Aber gerade mit diesen Bildern soll zum einen legitimer Widerstand immer als Terrorismus diskreditiert und zweitens der Krieg um Öl in einen Krieg gegen den Terror umgelogen werden.

So hinterlässt dieser Krieg nicht nur eine Blutspur im Irak -
Er hinterlässt auch eine Schleimspur der manipulierten Berichterstattung in den Medien dieses Landes, die damit weitgehend zu Komplizen der US-Kriegsverbrecher geworden sind.

Fünf Jahre Irakkrieg und 7 Jahre Krieg gegen Afghanistan das ist auch fünf Jahre Komplizenschaft der BRD-Regierungen.
Die Bundeswehr ist heute in den schmutzigen Krieg in Afghanistan tief verstrickt und hat von Anfang an den Krieg der USA und NATO gegen den Irak unterstützt.

Da stand am 11. März in der SZ folgendes:
Auf einer Bundeswehr-Kommandeurstagung sagte der Generalinspekteur der Bundeswehr Schneiderhan, Auslandseinsätze der Bundeswehr gehörten heute zum "Grundbetrieb" und der Hauptauftrag der Bundeswehr bestehe nicht länger in der Verteidigung des Landes.

Da wäre doch zu fragen:
Hallo Herr Generalinspekteur, haben sie schon mal einen Blick in das Grundgesetz der BRD geworfen. Dort steht aber etwas anderes, das genaue Gegenteil.
Dort heißt es ausdrücklich: Die Bundesrepublik stellt eine Armee zur Landesverteidigung auf.

Schneiderhan und Konsorten sind diejenigen, die eigentlich als Verfassungsfeinde vom Verfassungsschutz beobachtet werden müssten, wenn dieser seinen Namen verdienen würde.

Denn hier handelt es sich zweifellos um einen Terroranschlag auf das Grundgesetz.
Offensichtlich bedrohen uns weniger islamistische Selbstmordattentäter, als militaristische Wiederholungstäter

Deshalb, damit es nicht ein einziges mal zu wenig zitiert wird:
"... die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten ist verfassungswidrig und unter Strafe zu stellen." §26GG

§2oGG:
"Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist."

Ich glaube, dass wir mit einem solchen Recht zum Widerstand heute hier stehen.

Eines ist klar:??Der Einsatz der derzeit 7000 Bundeswehrsoldaten im Ausland und vor allem die aktive Beteiligung der Bundesrepublik am schmutzigen Krieg in Afghanistan ist verfassungswidrig und völkerrechtswidrig und muss sofort beendet werden.

Oft wird eingewandt, wenn man jetzt aus Afghanistan oder dem Irak abziehen würde, versinke das Land im Chaos.

Aber das Chaos existiert heute als Folge der Besatzung in Afghanistan:

In welchem Chaos soll das Land denn nach dem Abzug versinken?

Für den Irak wie für Afghanistan gilt: ?Der Abzug der fremden Truppen ist nicht die Lösung aller Probleme, aber er ist die Voraussetzung zur Lösung der selben.

Der Chef des schwedischen Friedensinstitutes Oberg und der langjährige UN-Diplomat Hans von Sponek haben auf der Irakkonferenz vergangenen Monat einen Plan für den Irak vorgelegt:

  1. Rückzug aller fremden Truppen und Söldner sowie den Abbau aller fremden Militärstützpunkte
  2. Wiedererrichtung und Respektierung der irakischen Souveränität und territorialen Integrität
  3. Eine von den vereinten Nationen geleitete Friedensmission, Schuldenerlass und internationale Entschädigung für Sanktionen, Krieg und Besatzung
  4. irakische Hoheitsgewalt über die Ölvorkommen
  5. Der Nahe Osten als eine Zone ohne Massenvernichtungswaffen

Wie also - um zum Ausgangspunkt zurück zu kommen - wie also können Kriege verhindert oder beendet werden?

Wir müssen verstehen lernen, dass der Wahnsinn von Rüstung und Krieg seinen Ursprung nicht in den kranken Hirnen von Militärs und Politikern hat (jedenfalls nicht nur), sondern in der kapitalistischen Produktions- und Lebensweise, die für den Profit alle menschlichen Gesetze unter ihren Stiefel stampft und deren Produktions- und Lebensweise auch nicht mit dem Biorhythmus der Erde kompatibel ist.

Solange die zentrale Größe des Wirtschaftens - also die Kapitalverwertung - Rüstung und Krieg gegen Mensch und Natur zur unbedingten Voraussetzung hat, sind Lösungen nur jenseits des Kapitalismus zu suchen.

Wenn wir und unsere Kinder und Enkel eine menschliche Zukunft haben wollen, müssen wir den kategorischen Imperativ des Friedens und der Ökologie beachten der da lautet:

"Selbst eine ganze Gesellschaft, eine Nation, ja alle gleichzeitigen Gesellschaften zusammen genommen sind nicht Eigentümer der Erde. Sie sind nur ihre Nutznießer und haben sie als boni patres familias (gute Familienväter) den nachfolgenden Generationen verbessert zu hinterlassen".

Zwar hat Karl Marx da mal wieder die Familienmütter vergessen, aber ansonsten hat er schon recht, der alte Marx.