Monika Seiller, Rede auf der Kundgebung zum Hiroshima-Tag ,Marienplatz, 6. August 2020

Monika Seiller, Rede auf der Kundgebung zum Hiroshima-Tag ,Marienplatz, 6. August 2020

Monika Seiller (Aktionsgruppe Indianer & Menschenrechte e.V.), Rede auf der Kundgebung auf dem Münchner Münchner Marienplatz am 6. August 2020

Wir treffen uns heute hier, um der Opfer von Hiroshima und Nagasaki zu gedenken – der 6. August hat sich auf ewig in unser Gedächtnis eingebrannt als Verbrechen an der Menschheit und als grausames Startsignal einer atomaren Rüstungsspirale. Der 9. August markiert nicht nur den Atombombenabwurf auf Nagasaki, sondern auch den Internationalen Tag der indigenen Völker – zwei Themen, die auf den ersten Blick scheinbar zusammenhanglos nur ein Datum gemeinsam haben und doch in direktem Zusammenhang stehen, denn auch die indigenen Völker sind Opfer des Atomwahns.

Die Indigenen nennen es die gelbe Schlange – für die Opfer von Hiroshima und Nagasaki, die Hibakusha, war es das blanke Grauen, und doch sprechen beide vom selben Alptraum: der atomaren Bedrohung.

Wenn wir heute der Opfer der Atombombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki gedenken, eines machtpolitisch kalkulierten Menschheitsverbrechens, das sich nie wiederholen darf, müssen wir auch jener gedenken, die am Anfang der atomaren Kette stehen, aber meist vergessen werden – die Indigenen.

Auf dem traditionellen Territorium der Mescalero Apachen nahm der Alptraum seinen Anfang. Unter dem „Manhattan Project“ wurde in Alamogordo, New Mexico, die erste Atombombe getestet – Codename Trinity. Die vermeintlich „heilige Dreifaltigkeit“ war jedoch geleitet von Machtstreben, dem Griff nach der Weltherrschaft und Menschenverachtung, für welche die Schwächsten in der Gesellschaft geopfert wurden. Das Uran für „Little Boy“ stammte u.a. aus dem Kongo, später bestückten die USA ihre tödlichen Bomben mit Uran aus Saskatchewan - dem indigenem Territorium der Cree. Kanada zählt noch heute zu den führendenUranproduzenten und belieferte u.a. auch Großbritannien und Indien mit dem Plutonium für deren erste Atombomben.

Auf dem Land der Yakama-Indianer im US-Bundesstaat Washington wurde die Plutonium-Fabrik Hanford errichtet, wo das Material für die Nagasaki-Bombe „Fat Man“ angereichert wurde.

Bereits in den 1940er Jahren wurden zudem im Südwesten der USA zahlreiche Uranminen erschlossen, in denen zumeist Indigene, vor allem Dineh, arbeiteten. Sie waren leicht verfügbare und billige Arbeitskräfte. Über die Gefahren in den Minen wurden sie nie aufgeklärt. Tausende starben an Krebs – ohne jede Entschädigung für die Familien, denn die Unternehmen verlangten von den Hinterbliebenen auch noch einen Nachweis, ob und in welcher Mine exakt sich die Oper kontaminiert hatten. Noch heute gibt es rund 1500 aufgelassene Uranminen in den USA, die das Land verseuchen – Land der Indigenen. Beim Abbau des Urans bleiben rund 85% der Radioaktivität im Abraum zurück. Ahnungslos ob der Gefahren wurde der Abraum zum Bau von Schulen und Häusern verwendet.

Selbst das Naturerbe Grand Canyon, Heimat der Havasupai-Indianer, ist vor der Gier der Atomlobby nicht sicher. Nachdem Obama 2012 ein 20-jähriges Moratorium gegen Uranabbau in der sensiblen Region verhängt hatte, lässt der jetzige Präsident Donald Trump nichts unversucht, um das Moratorium auszuhebeln, auch wenn er bislang vor Gericht scheiterte.

Doch nicht nur der Abbau bedroht die Indigenen. Auf der Nevada Test Site, dem vertraglich zugesicherten Land der Western Shoshone, führten die USA zwischen 1951 bis 1962 insgesamt 119 oberirdische und von 1962 bis zum Teststopp-Memorandum 1992 über 1000 unterirdische Atombombentests durch. Die Tests wurden stets nur dann durchgeführt, wenn sichergestellt war,dass der radioaktive Fall-out über dem Gebiet der Western Shoshone niederging und nicht etwa weiße Siedler der Region betreffen würde. Bis heute kämpfen die Western Shoshone um Entschädigung und Anerkennung ihrer Rechte. Stets hieß es nur, dass sie wohl zu viel geraucht oder ungesund gelebt hätten, wenn sie an Krebs erkrankten. Offizielle Statistiken über die Krebsopfer unter den Western Shoshone gibt es bis heute nicht.

Auf ihrem Gebiet sollte auch das erste atomare Endlager errichtet werden – obwohl die Bergzüge der Yucca Mountains extrem erdbebengefährdet sind. Bislang wehren sie sich erfolgreich gegen dieses Endlager – inzwischen auch mit Unterstützung von NGOs und sogar der Politik.

Doch nicht nur die Indigenen in den USA waren bzw. sind von dem atomaren Wahnsinn bedroht. Auch auf den Atollen Bikini und Eniwetok, die zu den Marshall Islands zählen, testeten die USA 67 Atombomben. „Castle Bravo“ mit der 1000-fachen Sprengkraft der Hiroshima-Bombe war der verheerendste Test – die Folgen waren noch bis Europa zu spüren, doch die eigentlichen Leidtragenden waren die Indigenen vor Ort. Quallenbabies waren die Folge, Fleischklumpen, die nicht mehr als menschliche Lebewesen erkennbar waren und keine Überlebenschancen hatten.

Doch die USA waren nicht die einzige Atommacht, die das Leben der Indigenen dem atomaren Machtstreben opferten. Auch die Kolonialmacht Frankreich exportierte ihre Atomtests in Regionen weit weg vom französischen Mutterland. 190 Tests zündete Frankreich im Muroroa-Atoll, 41 davon überirdisch. Die Folgen für die indigenen Polynesier waren nicht weniger verhängnisvoll wie für die Bewohner der Marshall Islands. Doch weder die USA noch Frankreich waren jemals bereit sich ihrer Verantwortung für die verhängnisvollen Auswirkungen auf die dortige Urbevölkerung zu stellen.

Allerdings dürfen wir uns nicht damit begnügen, auf die Verantwortlichen in Paris, London oder Washington zu zeigen, denn deutsche Unternehmen waren und sind maßgeblich am atomaren Wahnsinn beteiligt. Die deutsche Uranerz war eines der führenden Unternehmen im Uranabbau, vor allem in Kanada, und noch heute ist der Konzern Urenco, Betreiber der Urananreicherungsanlage Gronau ein global leader im Geschäft mit der Urananreicherung – unter Beteiligung von RWE und EON. 2019 exportierte Urenco mit Genehmigung der Bundesregierung Atommüll nach Sibirien – erstmals unter dem Protest der dortigen Bevölkerung.

Auch die Indigenen wehren sich seit langem gegen den atomaren Wahnsinn und suchen den Schulterschluss mit der internationalen Anti-Atom-Bewegung. Schon 1988 reisten Indigene vom Indigenous Uranium Forum aus den USA nach Japan, um sich – obwohl selbst Opfer der verhängnisvollen Atomnutzung - mit den Hibakusha zu treffen und ihre Solidarität zu bekunden.

Als Europäer sollten wir uns unserer Verantwortung bewusstwerden und für eine entschiedene atomare Abrüstung eintreten – keine Atomsprengköpfe in Deutschland, kein neues atomares Wettrüsten, Diplomatie statt pubertärer Muskelspiele. Angesichts der eigenen historischen Verantwortung musss sich Deutschland zum Frieden bekennen und damit allen atomaren Machtspielen entschieden entgegentreten.

Nie wieder Hiroshima!
Nie wieder Krieg!
Monika Seiller, Aktionsgruppe Indianer & Menschenrechte e.V.

Erinnerst du dich an Hiroshima?
Niemals vergiss Hiroshima!
Erinnerst du dich an den heißesten der Sommertage?
Niemals vergiss den heißesten der Sommertage!
„Es ist heiß! Es ist heiß! Es verbrennt uns!“, schrien die Menschen,
sie stürzten sich in den Fluss, doch
der Fluss kochte bereits.
Dies ist der Anblick der Hölle!
Die Kinder haben keine Zeit mehr zu schreien, sie
Verbrennen in den heißen Flammen.
Die Männer verwandeln sich in bloße Schatten im Asphalt.
Die Menschen sind nur noch Tätowierung auf den Mauern.
Erinnerst du dich an Hiroshima?
Niemals vergiss Hiroshima!
(Tom LaBlanc)

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