Rede Dr. Hildegard Fischer auf der Hiroshima-Kundgebung
Danke an das Münchner Friedensbündnis für die Organisation und die Einladung.
Ich darf sie auf die Ausstellung hinweisen. Wir Ärztinnen und Ärzte der IPPNW wollen über die Zusammenhänge der zivilen und militärischen Atomindustrie und über die gesundheitlichen Gefahren von Radioaktivität aufklären. Daher diese Ausstellung mit einigen Orten, an denen sich ihre katastrophalen Folgen für Umwelt und Gesundheit zeigen.
80 Jahre nach Ende des zweiten Weltkriegs hat ein neues Wettrüsten begonnen. Das Atomkriegsrisiko ist so hoch wie nie.
Michael Gorbatschow schreibt 2017 in seinem Buch:
„Solange es Atomwaffen gibt, bleibt die Gefahr bestehen, dass sie zum Einsatz kommen. Sei es durch Zufall, eine technische Störung oder auch einen bösen menschlichen Willen. Deshalb müssen wir das Ziel, die Atomwaffen zu verbieten und zu vernichten, mit Nachdruck weiterverfolgen. Das ist unsere Pflicht.“
Jede vorhandene Atomwaffe erhöht das Risiko der Eskalation, eines Unfalls, des Atomkriegs aus Versehen.
Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass neue Technologien wie KI Verbesserungen bringen, ganz im Gegenteil, bisher hat uns das Zögern und Hinterfragen von aufmerksamen Menschen vor der Katastrophe bewahrt.
Fehlalarme der Frühwarnsysteme sind deswegen so brandgefährlich, weil in der USA und in Russland das Prinzip des "launch on warning" gilt, „Start bei Warnung“ d.h. sofortiges Starten eines Gegenschlags, noch bevor die gegnerische Atomrakete einschlägt.
Im Buch von Annie Jacobsen wird erschreckend anschaulich beschrieben, wie innerhalb von 72 Minuten die gesamte Erde vernichtet wird. Ein Raketenstart löst den nächsten aus, bis am Ende aus allen Standorten der Welt gefeuert wird.
Die Liste von Beinahe Katastrophen ist lang, wobei es z.B. aus Nordkorea, Indien und Pakistan gar keine Informationen gibt.
Einige Beispiele:
50 US Atomsprengköpfe gelten als vermisst.
1966 kollidierte ein mit vier Atomwaffen beladenes US Flugzeug in der Luft vor der spanischen Küste mit einem anderen Flugzeug. Alle vier Atomwaffen wurden abgeworfen, aus ungeklärtem, purem Zufall kam es nicht zu einer Explosion, das Meer und weite Landstriche wurden verseucht.
1973 während des arabisch-israelischen Kriegs aktivierte ein US Mechaniker versehentlich das ganze Alarmsystem seiner Basis, alle Piloten und Crews rannten zu ihren Bombern, bis ein Offizier den Fehlalarm erkannte und sie alle gerade noch zurückrief.
1983 meldete die russische Satelliten Überwachung einen Angriff der USA, Stanislav Petrow zögerte und ignorierte den Alarm. So bewahrte er uns vor dem Atomkrieg, es gibt einen Film darüber. Sonnenspiegelungen haben den Alarm ausgelöst.
2009 kollidieren im Atlantik ein französisches und ein britisches Atom U-Boot. Viele Fragen blieben offen, wie viele Atom spreng köpfe an Bord waren und wo genau der Unfallort war.
2013 und 2016 flogen einige Offiziere der US Air force wegen massivem Drogen - und Alkoholmissbrauch auf. Die Soldaten waren für die Sicherheit von 150 Atomraketen zuständig. Die Kommandozentrale war ein Jahr lang außer Kontrolle, offen für jeden Hackerangriff.
Die Liste ist noch viel länger. Aus jüngerer Vergangenheit gibt es wenig Daten. Die Vorfälle werden verheimlicht und kommen immer erst nach Jahren ans Licht.
Atomkrieg ist Wahnsinn und zwar im wahrsten Sinne des Wortes, krankhafter Wahnsinn und alle wissen es.
Thomas Schelling, Nobelpreisträger, Berater des US Verteidigungsministeriums sagte:
„Der Atomkrieg setzt seiner ganzen Natur nach keine rational denkenden Menschen voraus. Das kann gar nicht sein. Welcher geistig gesunde Mensch wäre bereit, Hunderte Millionen Menschen zu töten, die Erde zu zerstören und das Ende der Zivilisation herbeizuführen, nur um sicherzustellen, dass jemand anderer, den er als Feind bezeichnet, nicht zuerst triumphiert.“
Wir Ärzte werden Euch nicht helfen können.
Dr. Hildegard Fischer