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Monika Seiller, Aktionsgruppe Indianer & Menschenrechte

Wenn wir heute der Atombombenabwürfe auf Hiroshima am 6. August und Nagasaki am 9. August 1945 als grausames Verbrechen an der Menschheit gedenken, möchte ich als Menschenrechtsaktivistin für indigene Völker auf ein Thema hinweisen, das scheinbar nur ein Datum mit diesem Gedenken eint. Seit 1994 ist der 9. August auch der Internationale Tag der indigenen Völker – auch sie sind Opfer des Atomwahns.

Ihr Leid steht am Anfang der atomaren Kette. Denn auf dem traditionellen Territorium der Mescalero Apachen nahm der Alptraum seinen Anfang. Unter dem „Manhattan Project“ wurde in Alamogordo, New Mexico, die erste Atombombe getestet. Im Streben nach Macht und atomarer Überlegenheit wurden die Schwächsten in der Gesellschaft geopfert. Denn das Uran für die tödlichen Bomben der USA stammt von indigenem Land der Dineh oder Havasupai im Südwesten der USA und der Cree im kanadischen Saskatchewan.

Bereits in den 1940er Jahren wurden im Südwesten der USA zahlreiche Uranminen erschlossen, in denen zumeist Indigene, vor allem Dineh, arbeiteten. Über die Gefahren in den Minen wurden sie nie aufgeklärt. Tausende starben an Krebs – ohne jede Entschädigung für die Familien.

Noch heute gibt es mehr als 1000 aufgelassene Uranminen in den USA, die das Land weiterhin verseuchen – Land der Indigenen. Beim Abbau des Urans bleiben rund 85% der Radioaktivität im Abraum zurück. Ahnungslos ob der Gefahren wurde der Abraum zum Bau von Schulen und Häusern verwendet.

Auf dem Land der Yakama-Indianer im US-Bundesstaat Washington wurde zudem die Plutonium-Fabrik Hanford errichtet, wo das Material für die Nagasaki-Bombe angereichert wurde.

Wie wir dieser Tage wieder erfahren müssen, ist das gefährliche Spiel mit der Atombombe hochaktuell. Dabei dürfen wir jene nicht vergessen, auf deren Land die Atombombentests stattfanden. Auf der Nevada Test Site, dem vertraglich zugesicherten Land der Western Shoshone, führten die USA seit 1951 bis zum Teststopp 1992 insgesamt 119 oberirdische und über 1000 unterirdische Atombombentests durch. Die Tests wurden stets nur dann durchgeführt, wenn sichergestellt war, dass der radioaktive Fall-out über dem Gebiet der Western Shoshone niederging und nicht etwa weiße Städte betreffen würde. Bis heute kämpfen die Western Shoshone um Entschädigung und Anerkennung ihrer Rechte. Offizielle Statistiken über die Krebsopfer unter den Western Shoshone gibt es bis heute nicht.

Doch nicht nur die Indigenen in den USA waren bzw. sind von dem atomaren Wahnsinn bedroht, wie uns im Frühjahr eine Delegation der Marshall Inseln in München berichtete. Auch auf den Atollen Bikini und Eniwetok, die zu den Marshall Islands zählen, testeten die USA 67 Atombomben. „Castle Bravo“ mit der 1000-fachen Sprengkraft der Hiroshima-Bombe war der verheerendste Test. Die Explosion der 15 Megatonnen-Bombe 1954 ließ eine 40 km hohe radioaktive Wolke aufsteigen, deren Fallout mehrere Atolle wie Rongelap verseuchte. Die Bevölkerung wurde nicht vor der Gefahr gewarnt und erst drei Tage nach der Explosion evakuiert. Die Folgen waren verheerend – von Quallenbabies bis zu unzähligen Krebstoten. Auch in der dritten Generation ist Schilddrüsenkrebs eine der häufigsten Todesursachen.

Bis heute ist das Eniwetok-Atoll radioaktiv verseucht, und auf Runit Island lagern in einem Atommülllager, dem sogenannten „Dome“, seit Ende der 1970er Jahre 85.000 Kubikmeter nuklearen Abfalls, darunter Plutonium-239, eine der giftigsten Substanzen der Erde. Der Müll liegt in einem Bombenkrater der Insel, abgedeckt mit einem nur 50 Zentimeter dicken Betondeckel, der bereits deutliche Risse zeigt. Doch nun droht eine weitere Gefahr. Als Folge des Klimawandels steigt der Meeresspiegel und die Marshall Islands werden innerhalb der nächsten 50 Jahre vom Meer überspült, d.h. auch der radioaktive Müll wird den Pazifik verseuchen. Das Paradies, einstige Kolonie Deutsch-Neuguinea, hat sich in eine Hölle verwandelt.

Doch die USA waren nicht die einzige Atommacht, die das Leben der Indigenen dem atomaren Machtstreben opferten. Auch die Kolonialmacht Frankreich exportierte ihre Atomtests in Regionen weit weg vom französischen Mutterland. 190 Tests zündete Frankreich im Muroroa-Atoll, 41 davon überirdisch. Die Folgen für die Polynesier waren nicht weniger verhängnisvoll wie für die Bewohner der Marshall Islands. Doch weder die USA noch Frankreich waren jemals bereit, sich ihrer Verantwortung für die verhängnisvollen Auswirkungen auf die dortige Urbevölkerung zu stellen.

Das zerstörerische Erbe der vergangenen Tests weltweit sollte deutlich vor Augenführen, was ein Einsatz der Atombomben heute für die Menschheit bedeuten würde.


Wir dürfen uns daher nicht damit begnügen, auf die Verantwortung der Atomwaffenstaaten zu verweisen. Als Europäer*innen sollten wir uns unserer Verantwortung bewusstwerden und für eine entschiedene atomare Abrüstung eintreten.

Derzeit tagt in Wien das erste Vorbereitungskomitee zur nächsten Überprüfungskonferenz des Nichtverbreitungsvertrages von Atomwaffen. Doch der Non-Proliferation-Treaty reicht nicht.

Wir fordern von der Bundesregierung

  • den Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland
  • den Ausstieg aus der nuklearen Teilhabe in der NATO und
  • die Unterzeichnung des 2021 in Kraft getretenen Atomwaffenverbotsvertrages.

Nie wieder Hiroshima! 


Atomwaffen abschaffen – jetzt!

Monika Seiller, Aktionsgruppe Indianer & Menschenrechte e.V.