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Mehr von dieser Reise: 1.) Bericht aus Kafrein, 2.) Unterwegs in Palästina


Beckenbauer, Schröder und Hitler


"What's your name?" Vor allem Kinder wollen mit dieser Frage rausfinden, aus welcher Himmelsrichtung ich komme. Die Älteren fragen meist nach der Begrüßung: "Where are you going?" und "Where are you from?" Nach meiner Antwort, dass ich aus Deutschland stamme, meist leuchtende Augen: "Germany good! Good cars, good machines…" Die Bewunderung deutscher Technologie ist in Palästina ungebrochen. Und in der Tat, die uralten Sammeltaxis, Marke Mercedes, erweisen sich als unverwüstliche Vehikel, treue Verbündete im täglichen Kampf der Palästinenser trotz Roadblocks, Checkpoints und der Menschenjagd durch die israelische Armee, notfalls auf holprigen Feldwegen und durch Olivenhaine, zur Arbeit, zum Einkaufen, zur Uni oder Schule zu gelangen. Ein guter Ruf eilt "den Deutschen" auch als Träger bedeutender Entwicklungsprojekte voraus. So profitiert im Bezirk Salfit die Bevölkerung von einem durch die BRD finanzierten Projekt zum Erhalt und Ausbau der Wasserversorgung. "Wir" haben im übrigen auch palästinensische Verwaltungsangestellte geschult, palästinensische Sicherheitskräfte ausgebildet und sogar - nach Entwürfen von Joop - für ihre angemessene Einkleidung gesorgt. Deutsche Entwicklungshilfe hält ihre Opfer am Leben und sorgt zugleich für ihre Disziplinierung. Dabei bleiben "wir" immer schön ausgewogen, beklagen die "Opfer der Gewaltspirale" und mahnen "beide Seiten" zur Zurückhaltung. Das Recht dazu können "wir" uns durchaus herausnehmen, da "wir" ja auch Israel in unverbrüchlicher Solidarität zur Seite stehen: durch die Lieferung exzellenter Waffentechnologie in Form beispielsweise von U-Booten, die geeignet sind, mit Atomraketen bestückt zu werden, oder von Motoren für den Mercava-Panzer, der nach deutschen Plänen in den USA gefertigt wird; ganz zu schweigen von "unserer" engen Verbundenheit mit Israel in diplomatischer und wirtschaftlicher Hinsicht.

Übrigens hat "unser" Kanzler in der Westbank auf Grund seiner Verweigerung einer direkten Beteiligung am Irak-Krieg eine echte Fan-Gemeinde. Würde er in den palästinensischen Gebieten kandidieren, wäre ihm ein Wahlsieg sicher. Allerdings, - so verlockend diese Perspektive für beide, den Kanzler und die Palästinenser auch sein mag - keine der Mächte, die seit 37 Jahren über das Leben der Menschen in Gaza und der Westbank verfügen, verschwendet je einen Gedanken auf die Wünsche und Meinungen der Betroffenen.

Bin ich erst einmal als "made in Germany" enttarnt, nimmt das Gespräch eher früher als später eine verhängnisvolle Wende und ich werde genötigt, mich zu "Beckenbauer and Rumenigge, the most famous soccer players in the world" zu bekennen - einmal, in einem kleinen Dorf, sogar praktisch. Ich kam nicht umhin, meine fussballerischen Fähigkeiten vorzuführen, und nur der in der palästinensischen Gesellschaft angesagte Respekt vor alten Männern rettete mich vor Spott und vernichtender Kritik.

Vertiefen sich die Gespräche oder will man mich aus der Reserve locken, stellt man mir die Frage: "What do you think about Hitler?" Da in Palästina die Familie das Zentrum des Lebens darstellt, erzähle ich zuerst von meinem Onkel, der im Krieg Hitlers in der Sowjetunion umkam. Dann spreche ich von den Millionen Toten in den von Hitler besetzten Gebieten und auch von den deutschen Städten, die durch den Krieg zerstört wurden, schließlich vom größten Verbrechen, dem Holocaust und der Ermordung von Kommunisten, Sozialisten, Christen, von Widerstandskämpfern und den Angehörigen ethnischer Minderheiten. Ich sage, dass der Rassismus eine moderne Geisel ist und dass heute die Palästinenser noch zahlen für das, was der deutsche Faschismus und Hitler verbrochen haben.

Diese Gespräche verlaufen sehr differenziert. Wir sind anerkannte Gesprächspartner, weil wir, die internationalen Aktivisten in Palästina, den Widerstand der Palästinenser unterstützen, ihre Forderungen, ihre Rechte anerkennen und ihnen eine Stimme geben. Wir werden ernst genommen, weil wir solidarisch sind und dies auch praktisch, vor Ort umsetzen: indem wir den Bauern, die von bewaffneten Siedlern bedroht werden, bei der Feldarbeit helfen und diese überhaupt erst ermöglichen; indem wir an Checkpoints die Soldaten zur Rede stellen und vieles mehr. Dieselbe Form der Solidarität und des gemeinsamen Widerstands praktizieren, noch zahlreicher und kontinuierlicher sogar, israelische Aktivisten. Die meisten Aktionen sind gemeinsam geplante und durchgeführte: von Palästinensern, Israelis und Internationalen. Das ist die bereits existierende Lösung, die gelebte Alternative zum gewaltsam durchgesetzten Recht des Stärkeren, zur menschenverachtenden Politik Israels.

Günter, mein Freund, Begleiter und mutiger Mitstreiter lebt und vertritt diese Alternative leidenschaftlich und überzeugend wie kaum jemand.


Andreas Bock aus dem besetzten Palästina

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