Ostermarsch München 2008 - Angelika Lex

Richard Forward * Walter Listl * Paul Kleiser * Siegfried Benker

Rede zum Ostermarsch am 22.03.2008 auf dem Marienplatz

Angelika Lex, Rechtsanwältin
Liebe Münchnerinnen und Münchner,

Unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung wird seit spätestens 11.9.2001 ein massiver Abbau demokratischer Grundrechte betrieben, der inzwischen so weit geht, dass man bereits vom Phänomen von rechtsfreien Räumen sprechen muß.
Diese Diskussion dürfte es in einem Rechtsstaat, der seinen Namen verdient, eigentlich gar nicht geben.
Dennoch stehen seither Menschenrechte, Freiheits- und Bürgerrechte, die Genfer Flüchtlingskonvention und andere grundlegende Normen unseres Rechtssystems zur Disposition.

Die Terrorbekämpfung in der Form, wie sie betrieben wird, führt zur Abkehr von Freiheits- und Bürgerrechten, zu immer mehr Einschränkungen von Grundrechte, hin zu einer Demontage des Rechtsstaats unter teilweise Aufhebung rechtsstaatlicher Verfahrensgarantien bis hin zu einem vollkommen rechtsfreien Raum.

Regelmäßig erreichen uns die immer neuen Ideen aus dem Hause Schäuble, die zu den bereits existierenden Einschränkungen aus der RAF-Zeit über die sog. "Otto-Kataloge" hinzukommen und in immer rasanterem Tempo geboren werden.

Die Tendenzen dieser Politik der inneren Sicherheit sind:

Es gibt umfassende Ausweitungen bei der Datenerhebung, Datenspeicherung Datenweitergabe und Datenverknüpfung verbunden mit Kompetenzerweiterungen und ?verknüpfungen.

Regelmäßig sind Klagen gegen diese neuen Gesetze vor dem Bundesverfassungsgericht erfolgreich.
Zumindest in Teilbereichen wird der Politik bescheinigt, dass sie in vollkommen unzulässiger Weise die Einschränkung von Grundrechten betreibt, die nicht mehr hinzunehmen ist. Erst vor wenigen Tagen wurde ein Teil des Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung durch das Bundesverfassungsgericht sogar in einem Eilverfahren gestoppt. Ein Instrument, das äußerst selten und nur bei ganz offensichtlichen Verstößen eingesetzt wird.
Aber was bewirken diese Entscheidungen des obersten deutschen Gerichtes?
Dass sich Bundesinnenminister, Bundesjustizministerin und auch Bayerns Ministerpräsident hinstellen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sogar begrüßen, sich als Sieger gerieren, weil nicht gleich das ganze Gesetz in Bausch und Bogen für nichtig erklärt wurde, sondern zumindest in Teilbereichen hingenommen wurde, um anschließend sofort die nächste grundrechtswidrige Entscheidung vorzubereiten - vollkommen unbeeindruckt von den Rügen des Gerichts.

Aber auch das ist noch nicht genug:
Wenn der Staat mit Mittel, die ihm durch die Gerichte noch erlaubt wurden, nicht weiter kommt, dann findet angebliche Terrorbekämpfung auch in vielfältiger Form außerhalb jeglichen rechtlichen Rahmens statt.

Die offensichtlichste Form ist das Gefangenenlager der USA Guantanamo Bay auf Kuba, in dem seit Januar 2002 mehrere hundert Menschen festgehalten werden, zum einen unter vollkommen menschenrechtswidrigen Bedingungen, unter Folter in jeder Form, aber auch ohne jeglichen rechtlichen Rahmen: ohne Anklage ohne Verteidigung, als "ungesetzliche Kombattanten" einer Kategorie von Gefangenen, die in der GFK so nicht vorgesehen ist.

Murat Kurnaz wurde 5 Jahre in diesem Lager festgehalten, obwohl die deutsche Regierung nachweislich die Möglichkeit gehabt hätte, Kurnaz mindestens 2 Jahre früher frei zu bekommen, wenn sie nur gewollt hätte. Statt dessen wurde ihm sogar die Aufenthaltserlaubnis entzogen, um eine Wiedereinreise zu verhindern, obwohl sogar die USA ihm bescheinigt hatte, dass ein Terrorverdacht nicht besteht!

Guantanamo ist jedoch kein Einzelfall, sondern nur eine besonders krasse Ausgestaltung von einer Vielzahl von illegalen Maßnahmen, die unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung nicht nur von den USA sondern auch mit Unterstützung europäischer Regierungen und Behörden, u.a. der BRD durchgeführt werden.

Illegale Festnahmen, Verschleppungen und Entführungen, Folter, Abschöpfen von Vernehmungsergebnissen, die unter Folter zustande gekommen sind, sind nicht länger Machenschaften von Diktaturen im fernen Afrika, sondern sind inzwischen Mittel einer angeblichen Terrorbekämpfung in den Vorbild-Rechtsstaaten Europas und der USA.

Vollzogen wird das durch das sog. rendition-Programm der CIA, den Überstellungen, die die Entführung von Menschen und Verbringung an geheime Orte bedeuten, zur Informationsgewinnung, zu deren Zweck sie verhört und gefoltert werden.

Das in Deutschland prominenteste Opfer dieses Programms ist wohl Khaled el Masri, ein deutscher Staatsangehöriger, der im Dezember 2003 in Mazedonien verhaftet und von der CIA über Bagdad nach Kabul gebracht wurde. Im Juni 2004 kehrt er nach Deutschland zurück. Bis heute hat sich die deutsche Politik geweigert, ihre Verantwortung an dieser Tat zu übernehmen und versuchte dem Untersuchungsausschuß Lügen über Lügen aufzutischen.
Erst nach langen Ermittlungen und viel Druck wurden gegen die CIA-Agenten, die dieses Entführung durchgeführt hatten, Haftbefehle ausgestellt. Auf die Auslieferungsbegehren an die USA warten wir aber bis heute noch.

Aber auch Khaled el Masri ist kein Einzelfall.
Vermutlich mehrere 100 Personen sind vom rendition-Programm der CIA betroffen.
Am Vollzug sind auch europäische Staaten - auch Deutschland - in unterschiedlicher Weise beteiligt.
Auf europäischen Flughäfen und im europäischen Luftraum - auch im deutschen - sind Menschen ungesetzlich verhaftet und verschleppt worden.
In Polen und Rumänien sollen CIA-Geheimgefängnisse betrieben worden sein. In Italien wurde Hassan Mustafa Osama Nasr entführt.
In Schweden wurden zwei Asylbewerber abgeschoben in dem sie amerikanischen Spezialeinheiten übergeben werden, die sie dann mißhandelt und weiter verschleppt haben.
Die Länder reagieren unterschiedlich. Bislang hat lediglich Bosnien-Herzegowina zugegeben, an einer Rendition-Aktion beteiligt gewesen zu sein.
In Italien wurden Haftbefehle ausgestellt. In Deutschland ein Untersuchungsausschuß eingerichtet.

Das was in den letzten Jahren mit tatkräftiger Unterstützung der Presse in mühevoller Kleinarbeit scheibchenweise ans Licht gekommen ist, hätte sich wohl niemand von uns auch in den kühnsten Verschwörungstheorien vor 5 Jahren noch träumen lassen und man kann sicher sein, dass es sich dabei nur um die Spitze eines Eisbergs handelt.

Dabei handelt es sich um Entwicklungen, die dringend unseren Widerstand benötigen, die wir nicht einfach hinnehmen dürfen.

Aber auch das sollen wir künftig nicht mehr dürfen:
Mit einem Entwurf zum neuen Versammlungsgesetz möchte Bayern eine Vorreiterrolle spielen in der weiteren Einschränkung von Grundrechten.
Unsere Rechte, gegen diese Zustände zu protestieren und zu demonstrieren sollen massiv eingeschränkt werden.
Hier muß der angebliche Kampf gegen Rechtsradikale herhalten, dem angeblich die Einschränkungen des Versammlungsrechts dienen soll.
In Wahrheit aber sollen wir mundtot gemacht werden, sollen wir noch weiter eingeschränkt werden und nicht mehr eingreifen und stören.
Stören in einem Staat, dem rechtsstaatliche Garantien, Menschen- und Bürgerrecht, Freiheitsrechte nicht mehr wichtig sind, sondern nur ein Hemmschuh auf dem Weg zum Sicherheits- und Überwachungsstaat.

Das werden wir uns nicht gefallen lassen.
Wir werden auch weiterhin demonstrieren und protestieren - lautstark und umfassend.

Vielen Dank